Wie ich zum Yoga gefunden habe.
„Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten.“
(Buddha)
Yoga – das ist Nichts für mich, das wäre mir definitiv zu langweilig.
Vielleicht sollte ich eher schreiben, wie Yoga mich gefunden hat. Denn es war ein grosser Zufall – wortwörtlich ist mir Yoga zugefallen. Ich war knackige 22 Jahre jung und interessierte mich für Sportarten, bei welchen ich mich so richtig auspowern konnte wie Crossfit oder Joggen. Meine Mutter und meine Schwester gingen schon länger zum Yoga, was ich damals eher belächelte. Vor allem bei meiner Schwester konnte ich es nicht nachvollziehen, wie man sich mit 28 Jahren Zeit für so etwas nehmen konnte. In einer entsprechenden Diskussion überredete sich mich, sie einmal zum Yoga zu begleiten. „Danach kannst du dich weiter darüber lustig machen, wenn du willst.“ Sie hatte recht, wie konnte ich über etwas urteilen, worüber ich so gut wie gar nichts wusste. Ich stimmte zu.
Ein Versuch war es wert – eigentlich kann ich es ja nur langweilig finden, wenn ich es ausprobiert habe.
Also kam der Tag, der mein Leben für immer veränderte – nur wusste ich das damals nicht. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich auch nie damit gerechnet. Meine Mama, meine Schwester und ich gingen gemeinsam zum Yoga. Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich mich sehr unwohl fühlte, denn ich war tatsächlich mit Abstand die jüngste Teilnehmerin. Trotzdem gab es kein Zurück mehr, das hätte mein Stolz nie zugelassen.
Hatha Yoga – ist das nicht was für ältere Leute?
Die Yogalehrerin, ebenfalls einiges älter als ich, erklärte mir zu Beginn, dass wir Hatha-Yoga praktizieren würden, ein Yogastil, bei welchem die Yogastellungen nicht in einem Flow, sondern einzeln praktiziert werden. Es sei eher ein sanftes Yoga, inklusive Meditationen und Atemübungen.Meditationen und Atemübungen! Das hat mir gerade noch gefehlt. Atmen konnte ich mit meinen 22 Jahren bereits sehr gut und ich empfand es nicht als notwendig, dies zu üben. Fürs Meditieren hatte ich schlicht keine Zeit. Es war mir nämlich wichtig, meine Freizeit sinnvoll zu nutzen und nicht mit Dasitzen und dem verzweifelten Versuch an nichts zu denken, zu verschwenden.
Ich wählte einen Platz in der hintersten Reihe, um die anderen nicht mit meinem Desinteresse zu stören.
Nichtsdestotrotz suchte ich mir eine Yogamatte, eher im hinteren Teil des Raumes, wo ich die anderen Teilnehmer nicht mit meinem Desinteresse stören konnte. Wir starteten mit ein paar Atemübungen und einem kurzen Body Scan. Danach ging es los mit dem Aufwärmen. Bis dahin war ich stets der Meinung, über eine gute körperliche Verfassung zu verfügen, wurde jedoch eines Besseren belehrt. Wir beanspruchten Muskeln, von deren Existenz ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht mal gewusst hatte. Anschliessend kamen wir zu den Sonnengrüssen. Die Yogalehrerin leitete die Einatmung, Ausatmung und die Stellungen an, welche wir einzunehmen hatten. Nach sechs Runden Sonnengrüsse war ich so ausser Atem, dass ich dankbar dafür war, mich auf den Rücken zu legen. Hier sollten wir die Auswirkungen der aufwärmenden Übungen auf unseren Körper erspüren. Etwas, was ich aus meinen anderen Sporteinheiten nicht kannte. Irgendwie fing es an, mir zu gefallen, mich achtsam mit mir selbst zu befassen und meinem Körper und meinem Geist mit Wohlwollen zu begegnen. Ich verspürte tatsächlich einen kleinen Funken Hoffnung, dass ich doch noch Freude am Yoga finden könnte.
Kann man tatsächlich durch das Praktizieren von Yoga körperlich fit werden?
Nach den Sonnengrüssen folgte der Hauptteil, die Yogastellungen, welche in der Yogasprache (Sanskrit) Asanas genannt werden. Wir streckten, dehnten, kräftigten und beugten unseren Körper in alle Richtungen. Ausserdem führten wir Balanceübungen durch, bei welchen ich nur staunen konnte, wie alle um mich herum diese einnahmen. Als wir zur Umkehrposition kamen und ich mich mit der Kerze begnügte und sogar noch stolz darauf war, dass ich meine Beine über meinen Kopf brachte, führte meine Mama wie selbstverständlich den Kopfstand aus. Ich konnte es nicht fassen. War sie tatsächlich wegen des Yogas körperlich so fit? Und warum wusste ich davon bis anhin nichts?
Das Unerwartete zum Schluss: Yoga hat mich von der ersten Stunde an in seinen Bann gezogen.
Am Ende der Yogalektion gab es eine Schlussentspannung, wie die Yogalehrerin sie nannte. Wir lagen auf dem Boden, sollten die Aufmerksamkeit zunächst zu unserer Atmung und danach durch unseren Körper lenken. Zum Schluss lagen wir noch einige Minuten in Stille auf dem Rücken. Die Schlussentspannung fiel mir unglaublich schwer. Mit Entspannung hatte es nicht viel zu tun, den ich dachte ständig an alle Dinge, welche ich noch erledigen wollte. Ich war richtig erleichtert, als der Klang einer Klangschale das Ende ankündigte und ich mich endlich wieder aufsitzen konnte.
Meine Schwester wollte natürlich direkt nach der Stunde wissen, wie es mir ergangen sei. Ehrlicherweise musste ich zugeben, dass ich es gar nicht so schlimm fand. Eigentlich hat es mir ganz gut gefallen, aber ich wollte nicht zu viel Positives berichten, denn damit hätte ich ihr ja Recht gegeben, was jeder, der Geschwister hat weiss, nicht immer ganz so einfach ist. Also habe ich es mit einem «war ganz okay» belassen. An diesem Abend fühlte ich jedoch eine Veränderung in mir. Nebst der Entspannung verspürte ich das Gefühl, etwas gefunden zu haben, was ich nicht mehr gehen lassen will. Bereits am nächsten Tag war ich mir dessen sicher und ich meldete mich für den Kurs gemeinsam mit meiner Mama und meiner Schwester an. Bis heute bin ich unglaublich dankbar für diese Entscheidung.